H.M.S Challenger in West Bermuda | National Maritime Museum | Photograph of Album ALB0174 | 1873
Dass Google «Google» heißt, ist allgemein bekannt. Ursprünglich suchte man nach einem Begriff für eine unvorstellbar große Zahl – eine Eins mit hundert Nullen. Laut einem allbekannten Medienmythos soll der Sohn des Mathematikers Edward Kasner im Jahr 1938 auf die Frage nach einem Namen für diese Zahl spontan «Googol» vorgeschlagen haben. Ein Tippfehler und eine Prise Marketing später war der Name für eines der größten Techunternehmen der Geschichte geboren.
Wie viele Äpfel oder Birnen ein «Googol» wären, entzieht sich bis heute jeder Vorstellungskraft. Die Antwort: unvorstellbar viele. Um es aber etwas greifbarer zu machen, die gesamte Wassermenge der Ozeane ließe sich theoretisch in etwa 2,67 Billiarden Schwimmbecken füllen – jene Becken, wie man sie in den grauen Randbezirken unserer Millionenstädte findet. Doch auch diese Zahl bleibt abstrakt. Sie schmeckt nach Unfassbarkeit. Und genau das verbindet sie mit dem Meer.
Schon immer waren wir Menschen von dieser gewaltigen Masse beeindruckt – vielleicht, weil wir uns ihr gegenüber schlicht überfordert fühlten. Denn, etymologisch lässt sich das Wort «Meer» bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen, zum germanischen «meri», das eine zusammenhängende Wassermasse bezeichnete. Erst später kam der Begriff «Ozean» auf – abgeleitet vom antiken Gott Okeanos, der als göttliche Personifikation eines alles umfließenden Stromes galt. Die frühen Beschreibungen des Meeres klingen wenig einladend. Sie erzählen von Bedrohung, aber eben auch vom Kampf gegen das Wasser. 
Selbst im Zeitalter der Forschung blieb das Gefühl der Ohnmacht bestehen. Als das britische Forschungsschiff H.M.S. Challenger am 23. März 1875, mehr als 2000 Kilometer vor der japanischen Küste, nach Logbucheintrag einen «tiefen Graben» entdeckte – mit einer vermessenen Tiefe von 4.475 Fathoms, was heute rund 8,2 Kilometer entspricht, durfte diese Ohnmacht vermutlich noch größer geworden sein. Übrigens: Ein Fathom war ursprünglich ein Faden, an dessen Ende ein Bleistück befestigt war. Ein Fathom entsprach etwa der Spannweite ausgestreckter ArmeUnd auch heute, 150 Jahre später, hat sich daran wenig geändert. Rein 0,001 Prozent der Tiefseeböden, also jener Bereiche, die mehr als 200 Meter unter der Wasseroberfläche liegen, gelten als erforscht. Beim Rest tappen wir buchstäblich im Dunkeln.
Warum aber zieht uns das Meer an, obwohl es uns so fremd bleibt? Vielleicht, weil es in seiner Unendlichkeit etwas spiegelt, das wir selbst kaum fassen können. Wer auf die Wasseroberfläche blickt, schaut in Bewegung, in Tiefe, in Wandel und damit auch immer ein wenig in sich selbst. Das Meer wird zum Spiegel des Unbewussten, ein Sinnbild jener Kräfte, die sich unserem Zugriff entziehen, aber dennoch in uns wirken.
Psychologen sprechen hierbei von der sogenannten «Blue-Mind-Theorie» – jener Idee, die der Anblick von Wasser Entspannung und kreative Offenheit fördert. Das Meer entschleunigt, weil es keinen Anfang und kein Ende kennt. Es verweigert sich jeder Ordnung, jeder Einteilung – und genau darin liegt sein Reiz.
Vielleicht fasziniert uns das Meer so sehr, weil es uns zeigt, was wir längst wissen. Eben, dass Größe und Tiefe nicht messbar sind, wenn man mitten darin steht. Und, dass das Unbekannte nicht immer bedrohlich sein muss – manchmal ist es einfach nur blau. 🪩
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