The Witcher 3: Wild Hunt | CD Project Red | 2015
Ohne eigenen Fleiß kein Preis, was als preußische Tugend durch die Gebrüder Grimm begann und durch die soziale Not und der ständigen Abstiegsangst angetrieben wird, ist eine der Hauptnarrative und durchzieht dabei unsere spätkapitalistische Populärkultur wie keine andere. Die Geburt des Helden, oder der Heldin beginnt dabei im Alltag, genau dort, wo Mentor*innen unseren Main-Charakter überreden, sich neuen und unbekannten Herausforderungen zu stellen, die ihn oder sie schließlich zum Helden machen. Schwupps, und schon ist das Märchen namens «Get Rich or Die Tryin’« erzählt, mehr gibt dieser Erzählstrang nicht her. Eine Erfolgsformel, dessen Banalität so erfolgversprechend ist, da sie hierbei nicht nur höchstes Identifikationspotential für alle bietet, sondern auch einen einfachen Zugang generiert. Schließlich schweißt so eine Heldenreise zusammen und natürlich gilt es auch Rückschläge und Erfolge zu verbuchen. Für den Fortschritt selbst sind Erfolge jedoch unabdingbar, sonst tritt man auf Stelle. Ein Prinzip, das sich in unserer Leistungsgesellschaft –  wer Einsen schreibt, der kommt schnell weiter – wiederfindet. 
Damit sich jedoch nicht vollkommen die Frustration einstellt, überwiegt immer der Faktor des Spielfortschritts, gemeinhin dem Einheimsen von Erfolgen, denn das Game soll ja in erster Linie Spaß machen. Dabei ist genau dieses Element der Spielmechanik die entscheidende Motivation, die uns Lust auf die fiktiven digitalen Welten macht. Irgendwann gibt es dennoch die Belohnung und den Aufstieg des*der Helden*in, die eben fest im Narrativ des Games verankert sind, da sonst die Gamestory nicht weiter erzählt werden kann. Man könnte sogar behaupten, dass sich Erfolg in den fiktiven Welten weitestgehend selbst begründet, während die echte Welt oft zu kompliziert und zu überfordernd wirkt. Verständlich daher, dass eine gewisse Portion an Selbstermächtigung und ein sagenumwobene Belohnungssystem immer Lust auf mehr machen und uns schön mit Glücksgefühlen ausstatten, während ich sang- & klanglos bei der Steuerklärung scheitere. 
Dieses Belohnungssystem und das im Narrativ verankerte Erfolgssystem kann dabei allerdings für unser demokratisches Grundverständnis zum Problem werden. So sind Games mit dieser eingeschriebenen Heldenreise darauf ausgelegt, Widersacher*innen schnell aus dem Weg zu räumen, um genügend Experiencepunkte zu sammeln, seine Goldvorräte anzuhäufen, hochzuleveln und sich dann endlich dem nächsten großen Endgegner zu stellen. Und so weiter und so fort. Die Art und Weise, wie ich das tue, ist dabei nicht entscheidend, letztendlich stehen mir alle Mittel zur Verfügung, die das Gameplay so hergibt. Solange ich dafür die richtige Belohnung einheimse, ist es egal, wie viele Horden an Gegner ich um die Ecke bringe. Für einen breiten und ausgewogenen Diskurs ist den Spielen kaum Platz und ein Moralapostel-Charakter möchte man schließlich auch nicht haben.
So gesehen ist die digitale Heldenreise, wie wir sie kennen, eine zutiefst egoistische, aber auch narzisstische, und immer gegen das Allgemeinwohl gerichtet. Mein Charakter mit Ellenbogen, mit Waffe gegen alles. Es ist eine Abwärtsspirale, die sich immerwährend fortsetzt, denn der Erfolg des individuellen Helden, oder der Heldin, geht dabei immer auf die Kosten des Misserfolgs anderer weiter.
Von den 34,3 Millionen Menschen in Deutschland, die hin und wieder zum Controller greifen, könnte die banale Form der Heldenreise daher eine von vielen Ursachen für die krankende Debatten und Politkultur sein. ⚪
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